Schau‘ Vögeln beim Nisten zu!

Alles begann mit einer Geschenkidee zum Geburtstag meines natur- und insbesondere vogelverliebten Opas. Die diversen Nistkästen in seinem Garten sind während der Brutzeit selbstverständlich absolut tabu. Einem Brutpaar beim Nestbau zuzusehen und dann schließlich die Brut schlüpfen und aufwachsen zu sehen, war aber eine zu schöne Vorstellung, um es nicht zu probieren.

Natürlich wusste ich, dass es auch Kamera-Nistkästen zu kaufen gibt – aber die empfand ich für die gebotene Bildqualität schlichtweg als zu teuer.

Also habe ich mich mit WLAN-Überwachungs-Kameras beschäftigt (Brennweite, Nachtsicht, Stromquelle, …) und mich schließlich für eine (eigentlich für Indoorzwecke konzipierte) Überwachungskamera der Firma Tapo entschieden. Dann habe ich aus Holzplatten einen Kasten gebaut, ihn mit einer Siebdruckplatte als Dach abgedeckt, mit einem Forstnerbohrer auf geeigneter Höhe ein Flugloch im Durchmesser von 32 mm gebohrt (für Kohlmeisen und Haussperlinge), und sämtliche Ränder abgerundet und „weichgeschliffen“.

Mein Opa hat Mitte Februar Geburtstag – perfektes Timing also, um den Nistkasten aufzuhängen. Nachdem er direkt im ersten Jahr angenommen wurde und wir einige bezaubernde Wochen lang dabei zugucken durften, wie ein Kohlmeisenpaar erfolgreich seine sieben Küken aufgezogen hat, wollte ich es nicht bei dem Prototyp belassen. Und so habe ich noch zwölf weitere Kästen gebaut und diese im Familien- und Freundeskreis verteilt. Ein ganz paar blieben in dem einen oder anderen Jahr unbesetzt, doch allermeist hatten wir Glück: über die Jahre haben wir Blau- und Kohlmeisen bauen, brüten, schlüpfen, füttern und ausfliegen sehen, einem Wespen- sowie einem Baumhummelvolk beim Bau und Wuchs zugeschaut. In einem Spätherbst befand ein Buntspechtmännchen (wir tauften ihn Bertolt Specht) das Flugloch für zu klein, die Behausung aber offenbar für angemessen und hämmerte sich in sein Winterquartier – leider kam er im Frühling nicht mit einer Spechtdame zurück.

Auf der anderen Seite mussten wir auch ertragen, dass ein Schwung Eier eines Hausrotschwanzes von einem Eichhörnchen geplündert wurde, und bei einem Kohlmeisengelege wurde (wohl mangels ausreichender Maden und Larven in der Umgebung) das Brüten abgebrochen. Einer bereits geschlüpften Brut mussten wir sogar beim Sterben zusehen, weil das Muttertier verendet ist und das Männchen in der Folge die Brutpflege eingestellt hat. Das war besonders hart anzuschauen, aber wir haben uns dagegen entschieden einzugreifen. Es war eine sehr schwere, aber bewusste Entscheidung, die Natur sich selbst zu überlassen. Leider passieren derlei Dinge in den Nestern dieser Welt – allermeist halt unbeobachtet. Dessen Zeuge zu werden ist trotzdem unglaublich traurig.

Keiner „unserer“ Vögel hat uns je bewusst gesehen – und dennoch fühlte sich jeder einzelne von ihnen an wie ein liebgewonnenes Haustier.