Heute wird sehr oft die Meinung vertreten, dass der Mensch von Natur aus ein zerstörerisches Wesen sei und dass er schon immer Natur und Umwelt zerstört habe.
Ein Blick in die Geschichte, wie ich ihn in meinem Buch „Homo destructor“ vorgelegt habe, zeigt jedoch, dass diese Position falsch ist: Der Mensch ist im allerlängsten Teil seiner Geschichte mit Natur pfleglich umgegangen und hat sich bei seiner Naturnutzung bewusst Grenzen gesetzt, um Natur nicht zu zerstören – sie war ja seine Lebensgrundlage, und Naturzerstörung hätte seine Selbstzerstörung bedeutet.
Im Naturzustand wären alle diese Hänge bis zum Grat (linke Bildhälfte) bzw. bis zum Beginn der Felsen (rechte Bildhälfte) mit Wald bestanden. Der Mensch hat im Laufe der Zeit diese Hänge kleinräumig gerodet, um Almflächen für die sommerliche Viehweide zu schaffen. Dabei hat er die Natur nicht zerstört, weil genügend Wald als Lawinen- und Steinschlagschutz stehengelassen wurde und weil die Rodungen sehr langsam durchgeführt wurden. Das Ergebnis ist eine sehr vielfältige und kleinräumige Kulturlandschaft mit großer Artenvielfalt. (Bild: Prof. Werner Bätzing)
Dies ändert sich erst mit der Industriellen Revolution und der modernen Entwicklung: Jetzt wird man gerade stolz darauf, alles das zu machen, was technisch möglich ist, und dabei alle Grenzen von Natur und Umwelt systematisch zu überschreiten. Jede Begrenzung des Menschen durch Natur wird jetzt als Freiheitseinschränkung wahrgenommen und vehement abgelehnt.
Die heutigen Umweltprobleme gründen auf einem rein technischen Naturumgang, auf der kurzfristigen Ausbeutung der fossilen Energiereserven der Erde, auf einem unendlichen Wachstum der Wirtschaft und der Konsumbedürfnisse und auf heftigen sozio-ökonomischen Widersprüchen (Arm gegen Reich, Globaler Norden gegen Globalen Süden).
Das bedeutet, dass die Umweltprobleme nur dann gelöst werden können, wenn zugleich zentrale Rahmenbedingungen unserer heutigen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik verändert werden. Dies ist jedoch zur Zeit nicht vorstellbar, und deshalb sind die heutigen Lösungsversuche – „Grünes Wachstum“, technische Innovationen, Appelle an die allgemeine Vernunft – nicht effektiv und bleiben bloße Alibistrategien.
In dieser Situation ist es geboten, einerseits in aller Schärfe die Frage nach den Ursachen der Umweltzerstörung aufzuwerfen und öffentlich zu diskutieren, und gleichzeitig andererseits auf pragmatische Weise möglichst viele konkrete Maßnahmen zur Entlastung der Umwelt umzusetzen und dabei den Versprechungen der Technik (technische Lösungen für CO2-Problem), der Hoffnung auf neue, saubere Energiequellen (Wasserstoffenergie), auf die Digitalisierung (die virtuelle Welt als Umweltentlastung) oder auf den Fortschritt (wenn Alles wächst, wird auch die gesamte Welt besser) grundsätzlich zu misstrauen.
Werner Bätzing: Homo destructor. Eine Mensch-Umwelt-Geschichte von der Entstehung des Menschen zur Zerstörung der Welt. Verlag C.H.Beck, München 2023, 463 S., Euro 32,-
Titelbild dieses Beitrags: Prof. Werner Bätzing. Erläuterung zu diesem Bild:
Diese traditionell genutzte Weide in den Alpen in 1700 m Höhe besitzt eine sehr hohe Artenvielfalt, weil es den Nutzern nicht um den kurzfristig-maximalen Ertrag, sondern um eine dauerhaft-nachhaltige Nutzung geht. Dies bedeutet, dass die „richtige“ Zahl der Tiere die Weide nutzt – zu viele Tiere führen zur Übernutzung, zu wenige Tiere fressen selektiv nur die besten Futterkräuter und lassen sie verschwinden – und dass Beginn und Ende des Weidegangs weder zu früh noch zu spät erfolgen. Das traditionelle Erfahrungswissen, wie man Natur nutzen kann, ohne sie zu zerstören, ist sehr vielfältig, geht heute aber immer mehr verloren.