Es gibt Begebenheiten, die vergisst man nie. Bei mir ist es eine Erinnerung an die Schulzeit: Große Pause, ein paar Mitschülerinnen und Mitschüler und ich stehen an unserem Stammplatz auf dem Schulhof im Kreis und unterhalten uns. Eine meiner liebsten Klassenkameradinnen sagt: „oh, schaut mal, ein Marienkäfer!“ Denn der hatte gerade unseren Kreis betreten.
Plötzlich tritt einer unserer Mitschüler vor und den kleinen roten Käfer mit den Worten „jetzt nicht mehr“ platt. Grinsend. Man mag nun sagen, das sei nur ein Marienkäfer gewesen. Ich habe besagtem Mitschüler dieses Ereignis dennoch nie verziehen. Und werde es auch niemals. Denn für mich sagt dieser Vorfall extrem viel über diesen Menschen aus – und seine Einstellung zur Welt. Vielleicht muss ich dazu erwähnen, dass ebenjener Mitschüler ausgesprochen christlich unterwegs war und sich einmal pro Woche in den Schüler-Andachtskreis zurückgezogen hat.
Doch Gottes Gebot „Du sollst nicht töten“ bezog sich vermutlich nicht auf einen Käfer, sondern ausschließlich auf Menschen. Käfer darf man demnach ohne Not töten, wenn einem der Sinn danach steht. Diese kleine Begebenheit spricht für mich Bände bezogen auf den Umgang der Menschheit mit der Natur. Wir nehmen uns das Recht heraus, mit Gottes Schöpfung so umzugehen, wie es uns beliebt. Wir begradigen, legen trocken, besprühen und gestalten nach unserem Gusto – die Interessen der Natur werden den unseren grundsätzlich untergeordnet.
Die Vielfalt des Lebens auf der Erde kann man als Schöpfung Gottes begreifen oder eher naturwissenschaftlich als Ergebnis eines evolutiven Prozesses. Ganz gleich – in beiden Möglichkeiten liegt etwas zutiefst Wunderbares. Sollte ein göttliches Wesen Schöpfer der Artenvielfalt auf unserem Planeten sein, wollte er sicher nicht, dass diese Vielfalt durch ein einzelnes seiner Geschöpfe vernichtet würde. Und betrachtet man die Artenvielfalt evolutiv, so hat sich jede einzelne Art über Millionen von Jahren entwickelt und bewährt. Auch in diesem Fall sollten wir mit jeder einzelnen Art entsprechend respektvoll umgehen.
Auch wenn es nur ein kleiner Marienkäfer ist.